Klimaneutralität mit erneuerbaren Energien? Habeck arbeitet nun an einer weiteren Alternative
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Obwohl zunächst eine schnelle Lösung gefunden werden muss, um unabhängiger von russischem Gas zu werden, ist der Wirtschaftsminister auch für Wasserstoffprojekte mit Wasserstoff zuständig – und will konkrete Pilotprojekte auf den Weg bringen.
EINAm zweiten Tag seiner Reise in den Nahen Osten könnte Robert Habeck immer noch der Klimaminister sein, den er sich gewünscht hätte, wäre da nicht der Krieg in der Ukraine gewesen. Während die grüne Vizekanzlerin am ersten Tag in Katar eine Energiepartnerschaft vereinbarte, die zusätzliche Lieferungen von fossil verflüssigtem Erdgas (LNG) nach Deutschland versprach, arbeitete Habeck am Montag in den Vereinigten Arabischen Emiraten an der Produktion von grünem Wasserstoff. Wasserstoff soll langfristig die Erdgasversorgung ersetzen und dazu beitragen, die Industrie in Deutschland klimaneutral zu machen.
Habeck war bereits am Montagmorgen in seinem Element, als er in Abu Dhabi mit der Klimaschutzministerin der Emirate, Mariam al-Mheiri, zusammentraf. „Wir müssen verstehen, wie hoch die Nachfrage nach grünem Wasserstoff sein wird“, sagte Habeck bei einem Treffen mit Ministern und Vertretern deutscher Unternehmen.
Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz sagte, ihr Unternehmen brauche allein jährlich 720.000 Tonnen grünen Wasserstoff, um klimaneutralen Stahl herzustellen. Al-Mheiri, die fließend Deutsch spricht und an der RWTH Aachen Maschinenbau studiert hat, hat angekündigt, dass ihr Land durch einige der weltweit größten Solaranlagen künftig große Mengen an grünem Wasserstoff produzieren kann. Schon jetzt ist es möglich, in den Emiraten Strom für nur einen Cent pro Kilowattstunde zu erzeugen. In Deutschland hingegen liegt der Preis für Haushaltsstrom bei über 30 Cent.
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„Grüne Wasserstoffprojekte sind hier weit fortgeschritten“, sagte Habeck beim Besuch einer Solaranlage in Abu Dhabi. „In Gesprächen geht es darum, wie Angebot und Nachfrage zusammenpassen.“
Die mitreisenden Unternehmen haben allerdings Absichtserklärungen zu Projekten mit sogenanntem blauem Wasserstoff geschlossen, aus dem auch Erdgas CO produziert wird. Gemeinsam mit der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) und weiteren Partnern plant Uniper ein Pilotprojekt zum Transport von Wasserstoff mit einem ölhaltigen Fluss.
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Zunächst werde aber blauer Wasserstoff transportiert, heißt es. Der Kupferproduzent Aurubis und die Energiekonzerne RWE, Steag und GEWEC haben Abnahmeverträge für Testlieferungen von blauem Ammoniak unterzeichnet, aus dem alternativ Wasserstoff gewonnen werden kann. Lufthansa, Siemens Energy und das Emirates-Unternehmen Masdar wollen ein Pilotprojekt zur Herstellung von synthetischem Kerosin für Flugzeuge starten. Auch die Fraunhofer-Gesellschaft hat eine Forschungskooperation zum Thema Wasserstoff vereinbart.
Ziel sei es nun, Pilotprojekte für grünen Wasserstoff zu skalieren, so Habeck. „Wir sind eines der wenigen Länder, die sich gleichzeitig von Kohle und Atomkraft verabschieden“, sagte der Klimaschutzminister. Ohne Energieimporte geht es auch in Zukunft nicht – auch wenn die Erneuerbaren Energien in Deutschland massiv ausgebaut werden.
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Standpunkt Wirtschaftsminister
“Das sind kommunizierende Röhren”, sagte Habeck, “je schneller wir Wasserstoff bekommen, desto schneller brauchen wir kein Erdgas mehr.” Die am Vortag geschlossene Partnerschaft mit Katar zur Lieferung von verflüssigtem Erdgas stehe “nicht im Widerspruch” zur Wasserstoffstrategie. „Wasserstoff fällt auch nicht vom Himmel, er muss irgendwo produziert werden“, sagte der Minister.
Der Ukraine-Krieg führte dazu, dass die Entwicklung und Ausrichtung der Produktion von grünem Wasserstoff nicht mehr politisch getrieben, sondern „nachfragegesteuert“ war. Es gebe nun eine “große Einigkeit und große Entschlossenheit”, unabhängiger von russischen Gasimporten zu werden. Die unterzeichneten Absichtserklärungen zu den gemeinsamen Pilotprojekten haben gezeigt, dass die Entwicklung beschleunigt wird. “Etwas lebt”, sagte Habeck.
Energiepartnerschaften sind keineswegs unproblematisch
Allerdings zeigt sich auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, dass Energiepartnerschaften keineswegs unproblematisch sind. Neben den Menschenrechtsverletzungen, die im Zentrum Katars stehen, ist in den Emiraten deutlich geworden, dass die außenpolitischen Interessen der arabischen Halbinsel und des Westens keineswegs deckungsgleich sind. Kurz vor deutschen Ministern begrüßten die Vereinigten Arabischen Emirate auch den aus dem Westen vertriebenen syrischen Machthaber Baschar al-Assad.
Auch die Golfstaaten haben sich den Sanktionen gegen Russland noch nicht angeschlossen, russische Oligarchen sollen sich dort einen Teil ihres Vermögens gesichert haben. Habeck sagte, er habe in seinen Reden Assads Sicht auf Deutschland erwähnt. Er erwartet auch, dass die Emirate zumindest nicht von westlichen Sanktionen profitieren, wenn sie sich nicht beteiligen wollen.
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