Home » World News » Europe » Beschaffungsamt der Bundeswehr: Können sie das?
Europe

Beschaffungsamt der Bundeswehr: Können sie das?

Stand: 23.03.2022 11:13 Uhr

Bei der Bundeswehr macht sich ein neues Gefühl breit: Milliarden Euro soll es für neue Ausrüstung geben. Aber die Autorität, die alles kaufen sollte, wird weder als schnell noch als effektiv angesehen. Kann das gut gehen?

Von Stephan Lenhardt, SWR

Schon der Name klingt kompliziert: Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr – kurz BAAINBw. Allein am Hauptsitz in Koblenz gibt es 6.500 Arbeitsplätze. Insgesamt 11.000 Beschäftigte arbeiten im Beschaffungsamt, wie es sprachlicher heißt, an 116 Orten. Sie sind dafür verantwortlich, die Bundeswehr mit modernem Gerät auszustatten und zu wirtschaftlichen Konditionen zu beschaffen.


SWR-Logo

Stefan Lenhardt

Zu den Aufgaben gehört auch alles vor dem Kauf zu testen. Von der Kantine bis zum Schützenpanzer. Das BAAINBw hat nach eigenen Angaben derzeit 1.500 laufende Neubeschaffungsprojekte zu bearbeiten.

Komplizierte Prozesse

Das BAAINBw ist ein wichtiges Glied in der Lieferkette. Grob skizziert geht das so: Die Truppe will etwas oder etwas ist kaputt. Behörden – darunter auch das Planungsamt der Bundeswehr – werden sehen, ob sich die Truppe selbst helfen kann. Ansonsten erstellen die Soldatinnen und Soldaten gemeinsam mit der Verwaltung einen Katalog mit konkreten Anforderungen.

Er winkt von oben – oft sogar vom Generalinspekteur der Bundeswehr selbst. Im BAAINBw übersetzen Unternehmen dann den Katalog und die technischen Leistungsbeschreibungen. Diese werden wieder genehmigt. Dem Kauf geht oft eine europaweite Ausschreibung voraus. Und nach dem Kauf gibt es oft rechtliche Konsequenzen. So gibt es beispielsweise noch einen Rechtsstreit um den Nachfolger des G36-Mordgewehrs. In den nächsten Tagen fällt ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf, der Bieterwettbewerb startet 2017.

“Zu lange, zu teuer, geht nicht”

„Es dauert extrem lange, es ist viel teurer als geplant, und es stellt sich meist heraus, dass es nicht so läuft wie gewünscht“, kritisierte Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr in München den Vorgang. Er fordert auch einen Mentalitätswandel in der Bundeswehrverwaltung. „Wir müssen endlich schnellere, pragmatischere Lösungen finden, anstatt nur dieses ewige Entscheidungsvermeidungsspiel zu spielen.“

Aus seiner Sicht sind zu viele Stellen an Entscheidungen beteiligt. “Und schließlich, wenn etwas schief geht, ist niemand mehr wirklich verantwortlich. Das kann nicht sein. Es muss auch eine Delegation von Verantwortlichkeiten nach unten geben.” Und weil er – wie viele andere Experten – auch das Einkaufsbüro in der Pflicht sieht. Gerade jetzt, wo weitere Milliarden in die Rüstungsindustrie fließen. Zum laufenden Verfahren äußert sich das BAAINBw derzeit nicht zu dem geplanten Sondervermögen für die Bundeswehr.

Die Behörde wehrt sich

Der Verband der Beamten und Angestellten der Bundeswehr wehrt sich gegen Kritik am Amt. Nicht nur das Vergaberecht behindert schnelle Prozesse: „Auch die Unzuverlässigkeit der Rüstungsindustrie, die fehlende Planung, fehlende Haushaltsmittel, die ständige Einflussnahme von Lobbyisten und die fehlende strategische Steuerung des Ministeriums spielen eine erhebliche Rolle .” In Koblenz sind laut Beschaffungsamt derzeit 1.000 Stellen unbesetzt. Aber viele finden die Autorität ohnehin zu groß.

Reformen sind bisher immer gescheitert

Die Reformforderungen im Amt, insbesondere bei den Beschaffungsprozessen selbst, sind nicht neu. Vor zehn Jahren bat sie um einen Strukturauftrag. Die von vielen Beobachtern als gut bezeichneten Versuche der ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, externe Berater einzusetzen, scheiterten. Die jährlichen Warnungen im Wehrbericht, wie die der Wehrbeauftragten Eva Högl, brachten meist nur geringfügige Änderungen.

Lambrecht sucht nach Lösungen

Der Krieg in der Ukraine scheint nun die Dinge zu beschleunigen. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat angekündigt, durch weitere Ausnahmeregelungen im Vergaberecht zu verhindern, dass sie in Europa werben muss. Experten gehen jedoch davon aus, dass dies nur vorübergehend und in Ausnahmefällen möglich ist.

Und der Minister will, dass Anschaffungen für die Truppe nur im Wert von 5.000 Euro über das Beschaffungsamt gehen. Bisher lag die Grenze bei 1000 Euro. Das gilt nach Angaben des Ministers für jede fünfte Bestellung. „Dadurch brauche ich bei über 20 Prozent solcher Aufträge kein sehr bürokratisches Vergabeverfahren mehr“, sagt Christine Lambrecht im Deutschlandfunk.

Wendepunkt im Kopf

„Vieles ist möglich, wenn nur der politische Wille da ist“, sagt Sauer. Wichtiger als diese Anpassungen sind ihm jedoch grundlegende Veränderungen. „Rhetorisch wurde die Wende ausgerufen und das Geld auch budgetiert. Jetzt müssen wir das umsetzen, also umdenken.“