Arbeitsminister Heil hat gute Nachrichten für die deutsche Rente. Da die Renten 2022 auf 6,1 % steigen werden, hat niemand zuvor mit einer solchen Erhöhung gerechnet. Wozu?
Gute Nachrichten sind in diesen Zeiten selten. Aber für deutsche Rentner ist es jetzt so. Wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag mitteilte, werden die Renten in diesem Jahr kräftig steigen. So mächtig, wie kaum jemand erwartet hat.
Selbst im politischen Berlin hätten die wenigsten mit dieser kräftigen Rentenerhöhung gerechnet. Die Renten sollen im Westen um 5,35 % und im Osten um 6,12 % steigen.
„Das ist eine gute Nachricht für die Menschen, die den Laden jahrelang durch ihre Arbeit geführt haben“, sagte Heil zur Rentenerhöhung. Ende November hatte er um 4,4 Prozent zugelegt.
Rentenpräsidentin Gundula Roßbach sagte am Dienstag t-online: „Das wird eine der höchsten Rentenanpassungen in Deutschland seit Einführung der Rentenversicherung.“
Doch woher kam plötzlich dieser deutliche Anstieg?
Die Rentenerhöhung hängt von der Lohnentwicklung ab
Um das zu verstehen, muss man die Grundlogik hinter der jährlichen Rentenanpassung verstehen: Die Entwicklung der gesetzlichen Renten folgt der Entwicklung der Löhne.
Die Durchschnittslöhne sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen: 5,8 Prozent im Westen und 5,3 Prozent in Ostdeutschland. Es berücksichtigt aber auch die Gesamtentwicklung der Beiträge zur Rentenversicherung. Denn auch kurzfristige Beiträge fließen in die Pensionskasse. Aufgrund der Pandemie war die Zahl der Kurzarbeiter stark gestiegen; Der Staat hatte die Einreisebestimmungen gelockert.
Rentner lächelt (Symbolbild): Die Renten dürften im Juli deutlich steigen. (Bildnachweis: Morsa Images / Getty Images)
Aufgrund dieser Logik der Rentenanpassung mussten auch die Renten im vergangenen Jahr eine Nullrunde hinnehmen. Die Renten sind im Westen nicht und im Osten nur minimal gestiegen. Denn im ersten Corona-Jahr 2020 sind die Löhne deutlich gesunken. Im Vergleich dazu sind sie im letzten Jahr stark gestiegen, was nun zu einem deutlichen Anstieg der Renten führt.
Verhältnis von Rentenempfängern zu Beitragszahlern erhöht die Renten
Aber: Lohnwachstum allein wird die Renten in diesem Jahr nicht erhöhen. Auch der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor spielt eine wichtige Rolle. Und dieses Jahr ganz besonders. Neben der Lohnentwicklung ist sie Teil der Rentenanpassungsformel, also der Formel, die berechnet, wie hoch die Rentenerhöhung Mitte des Jahres sein wird.
Der Nachhaltigkeitsfaktor spiegelt das Verhältnis von Rentenempfängern und Beitragszahlern wider. Mit zunehmender Zahl der Beitragszahler im Verhältnis zur Zahl der Rentenbezieher steigt der Tragfähigkeitsfaktor und die Renten steigen. Umgekehrt sinken die Renten auch dann, wenn die Zahl der Beitragszahler im Vergleich zu den Renten sinkt (Hier können Sie mehr darüber lesen).
Der Faktor wirkte sich im vergangenen Jahr positiv aus – er erhöhte die Rente im Sommer um 0,76 Prozent. 0,6 Prozent davon gehen jedoch auf eine gesetzliche Neuregelung zurück, die laut Arbeitsministerium ab 2021 eine „übertriebene Dämpfungswirkung“ kompensieren soll.
An der Entwicklung an sich ändert das nichts: 2021 ist die Beitragszahl im Vergleich zu den Rentenbezügern gestiegen.
Aufholfaktor dämpft Rentenanpassung
An dieser Stelle wird dem aufmerksamen Leser klar, dass der Anstieg der Renten aufgrund der Lohnentwicklung und des Nachhaltigkeitsfaktors im Westen eigentlich 6,56 Prozent betragen müsste. Und nicht bei 5,35 Prozent, wie die Heilsmeldung ankündigte.
Tatsächlich gibt es in der Rentenanpassungsformel noch einen weiteren Faktor, der Lohnsteigerungen etwas dämpft: der sogenannte Cache-up-Faktor. Um genau zu erklären, wie es funktioniert, müssen Sie etwas zurückgehen.
Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise hat Olaf Scholz, Heils Vorgänger als Arbeitsminister, 2009 eine Rentengarantie per Gesetz eingeführt.
Damit soll verhindert werden, dass Renten gekürzt werden, wenn die Löhne in Krisenzeiten sinken. Gleichzeitig hat Scholz den Fingerfaktor in die Rentenanpassungsformel eingebaut.
Bundeskanzler Olaf Scholz: Als Arbeitsminister hat er den Fingerfaktor in die Rentenanpassungsformel eingebaut. (Quelle: Frank Ossenbrink / Bilder)
Dieser Faktor sorgt dafür, dass die Wirkung der Rentengarantie ausbalanciert wird: Dass bei wieder steigenden Löhnen nach einer Wirtschaftskrise die verhinderte Rentenkürzung rechnerisch kompensiert wird – die Rente also weniger stark steigt. Ziel war es, dass die Rentengarantie nicht zu einer dauerhaften Mehrbelastung der Beiträge führt.
Die schwarz-rote Koalition – genauer: Heil – hat allerdings ab 2018 den Fangfaktor ausgesetzt. Eigentlich sollte diese Ausnahme bis Juni 2026 gelten. Von Ökonomen scharf kritisiert, forderte die FDP die Reaktivierung des Capture-Faktors.
“Jetzt werden wir in den kommenden Jahren erhebliche Milliarden einsparen”
Hier war Johannes Vogel der Fahrer. Bis zu seiner Wahl zum ersten parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Dezember 2021 verantwortete er die Renten- und Arbeitsmarktpolitik der Liberalen.
„Renten in Deutschland nach dem Vorjahreslohn“, sagt er zu t-online. „Das ist fair und ich freue mich angesichts dieser Steigerung für jeden Rentner.“
„Wir werden in den kommenden Jahren erhebliche Milliarden für kommende Generationen sparen“, sagte FDP-Politiker Johannes Vogel. (Quelle: Zukunftsbild / Bilder)
Fairness bezieht auch Faktoren in die Rentenanpassungsformel ein, wie zum Beispiel den Fingerfaktor. „Wir sparen jetzt in den kommenden Jahren erhebliche Milliarden für kommende Generationen und stabilisieren damit die Renten“, sagt er. “Stellen Sie sich vor, wie groß die Rentenerhöhung sonst gewesen wäre.”
Bleibt der Fingerfaktor deaktiviert, fällt der Rentenanstieg um 1,17 Prozentpunkte höher aus. Aufgrund von statistischen Sondereffekten, die der Bund bereinigt, ist die Dämpfung durch den Fingerfaktor nicht zu hoch.
Die Preise steigen stark
Für deutsche Rentner ist das in jüngster Zeit zunächst eine gute Nachricht – angesichts steigender Preise für Strom, Gas oder Heizöl und des bevorstehenden Kaufkraftverlusts.
Die Jahresinflation in Deutschland hat im Februar erneut die Fünf-Prozent-Marke überschritten: Die Verbraucherpreise lagen um 5,1 Prozent höher als im Vorjahresmonat.
Und die Situation wird wahrscheinlich noch schlimmer. Wirtschaftsforscher sagen bereits eine steigende Inflation als Folge des Angriffskriegs von Wladimir Putin in der Ukraine voraus.
Rentenpräsident: Hohe Preissteigerungen werden abgeschafft
Rentenpräsident Roßbach freut sich daher über die Erhöhung der Renten. „Dadurch werden die in diesem Jahr zu erwartenden hohen Preiserhöhungen für die 21 Millionen Rentner reduziert“, sagte sie.
Gundula Roßbach: Die Rentenpräsidentin freut sich auf die deutsche Rente. (Quelle: photothek / images)
Rückblickend ist seit 2010 ein deutlicher Anstieg der Renten für Renten zu verzeichnen. „So lagen die Regelrenten von 2010 bis 2020 im Westen um über 25 Prozent und im Osten um über 37 Prozent. Der Anstieg lag damit weit über dem Inflationstrend in diesem Zeitraum.“
Viele Rentner rutschen in die Steuerpflicht
Es gibt jedoch immer noch ein Haar in der Suppe. Die Rentenerhöhung wird in diesem Jahr voraussichtlich Zehntausende von Renten versteuern, wahrscheinlich mehr als in den Vorjahren.
Die leichte Koalition erhöht den Grundfreibetrag: von derzeit 9.984 Euro auf 10.347 Euro. Am Ende dürfte noch die Frage stehen, was nach Steuererhöhung und Inflation wirklich von den stark gestiegenen Renten übrig bleibt.
Deutsche Renten sind nur zu sehen. Und zu hoffen.
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